Kona 2017 ist Geschichte – unsere Bilanz: 19.Platz / 09:40:46
Auf den ersten Blick hin klingt das gar nicht so schlecht und ist sicher kein WM-Ergebnis für das man sich schämen muss. Sich darüber zu freuen, fällt uns jedoch im Moment schwer. Die Vorzeichen waren gut und wir gingen mit großen Erwartungen in das Rennen. Wir wussten, eine Top 10 Platzierung war ein hoch gestecktes, aber durchaus realistisches Ziel. Der Tag entwickelte sich für Michi zunächst auch sehr vielversprechend. Nach einer soliden Schwimm-Rad-Leistung wäre mit einem abschließenden, schnellen Marathon noch viel möglich gewesen. Doch aus der geplanten „pocketrocket-Aufholjagd“ wurde leider nichts. Nach ungefähr 10 Kilometern verspürte Michi plötzlich massive Schmerzen im linken Mittelfuß, die sie beinahe zur Aufgabe zwangen. Der Grund dafür wurde einen Tag später im Röntgen deutlich ersichtlich: Michi hatte sich eine Fraktur an der Basis des 2.Mittelfußknochens zugezogen… Als Sportler stellt man sich im Vorfeld eines Ironman auf die unterschiedlichsten Szenerien ein – wie z.B. einen Leistungseinbruch, einen technischen Defekt, Muskelkrämpfe, Magenprobleme, usw. Auch wir hatten mit vielem gerechnet, aber sicher nicht mit einem gebrochenen Fuß. Dass Michi trotz der Verletzung und der großen Schmerzen das Rennen bis zum Schluss durchzog, zeigt einmal mehr ihren eisernen Willen und Kampfgeist. Dennoch ist die Enttäuschung groß…
Michi zum Rennen:
Ich weiß im Moment nicht, was mehr schmerzt – mein Fuß oder die Tatsache, dass ich mein Potential beim Marathon nicht ausschöpfen konnte und somit auch mein Top 10 Traum geplatzt ist. Wir hatten den Fokus in der Vorbereitung auf das Laufen gelegt und ich trau mich zu behaupten, dass ich in der Laufform meines Lebens war. Dass ich das am Tag X nicht zeigen konnte, ist natürlich bitter. Ich hatte schon längere Zeit mit meinem linken Fuß zu kämpfen – besser gesagt, mit meiner linken Großzehe. Mein erblich bedingter Hallux Valgus machte mir zunehmend zu schaffen – nicht nur beim Laufen, auch beim Radfahren bekam ich immer wieder Schmerzen. Meine WM-Vorbereitung konnte aber nicht an einer schiefen Zehe scheitern. Ich tat alles, um mein Problem in den Griff zu bekommen und es gelang auch gut – scheinbar! Eine Woche vor dem Rennen nach meinem letzten schnellen Lauf verspürte ich erstmals leichte Schmerzen im linken Mittelfuß. In der Taper-Woche vergingen die Beschwerden wieder und ich hatte keinerlei Bedenken, dass mich mein Fuß oder meine Zehe im Rennen in irgendeiner Weise behindern würden. Ich fühlte mich mehr als bereit für den langen Tag. Beim Schwimmen war ich, genau wie wir erwartet hatten, in der zweiten großen Verfolgergruppe und ich stieg nach 57:56 aus dem Wasser. Auch am Rad entwickelte sich das Rennen weiter gut für mich. Im Gegensatz zum letzten Jahr, konnte ich meinen Abstand auf die vorderen Damen in Zaum halten. Vor allem hinauf nach Hawi war ich überrascht, wie gut sich meine Beine anfühlten. Dass ich auf den schnellen Bergab-Passagen mit meiner Statur etwas an Zeit verlieren würde, war mir bewusst und auch dass ich einen Großteil der Radstrecke komplett auf mich alleine gestellt war, machte mir nichts aus. Mit meiner Radzeit von 05:12:21 war ich zufrieden und deutlich schneller als 2016.
Fotocredit: Ingo Kutsche
Motiviert wechselte ich auf die Laufstrecke. Für gewöhnlich brauche ich immer ein paar Kilometer, um so richtig in meinen Laufschritt zu finden. Die Hitze am Alii-Drive war wie immer enorm. Doch die Temperatur war nicht primär mein Problem. Bereits nach gut 10 Kilometern wurden meine Schmerzen im linken Mittelfuß richtig akut. Ich kämpfte mich die Palani-Road hoch auf den Highway, wo Dani auf mich wartete. Als ich ihn sah, begann ich zu gehen und gleichzeitig zu heulen. Mein ganzes Konzept brach zusammen. Ich wusste, dass mit meinem Fuß etwas ganz und gar nicht passte, meine Schmerzen waren riesig und ich hatte keine Ahnung, wie ich noch weitere 13 Meilen schaffen sollte. Aufgeben konnte ich aber auch nicht. Nicht nach all der Arbeit, die wir in die Vorbereitung steckten und dem enormen Aufwand, den wir betrieben. Es ging mir dabei gar nicht so sehr um mich – viel mehr um alle Menschen um mich herum, die mich während der letzten Monate oder sogar Jahre ohne wenn und aber unterstützten…Dani, meine (Schwieger)Eltern, unser Trainer, Therapeuten…Sponsoren…zwei unserer Freunde, Lise und Thomas, waren extra als Support zum Wettkampf gekommen…die große Unterstützung über unser Crowdfundig-Projekt…es hing so viel an diesem Tag und all diese Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich konnte unmöglich aussteigen. Jedes andere Rennen hätte ich ohne Zögern, aus Vernunft, beendet. Aber es war die WM, wir waren um die halbe Welt gereist… und ich glaube, bei keinem anderen Ironman, geht es so sehr ums Finishen wie hier in Kona. Daher entschied ich mich, auch wenn es vielleicht nicht wirklich klug war, fürs Weitermachen. Ein DNF wäre am Ende ziemlich sicher noch schmerzhafter gewesen als ein verletzter Fuß. Ich wollte unbedingt ins Ziel und mir mein 10.Ironman Finish holen — notfalls müsste ich eben spazieren. Aber ich versuchte weiterzulaufen, bewusst über die Ferse, mehr Gewicht auf meine rechte Seite verlagert und schaffte es, mich mit all meinen mentalen Hilfsmitteln vom Schmerz abzulenken und Kilometer um Kilometer hinter mich zu bringen. Ich weiß nicht wie, aber es funktionierte – ich war komplett im „Tunnel“. Zum Schluss lief ich sogar noch an Rachel Joyce, der dreifachen Medaillen-Gewinnerin auf Hawaii, vorbei. Ich war wie ferngesteuert und so froh, als ich endlich auf die Zielgerade einbog. Genießen konnte ich den Zieleinlauf dieses Mal nicht. Als mich Dani in die Arme nahm, kamen all meine Emotionen hoch – die Enttäuschung über das verpasste Top-Ergebnis, die extremen Schmerzen und dann doch die Erleichterung, dass ich es ins Ziel geschafft hatte.
Wie schlimm die Verletzung tatsächlich war, stellte sich erst später heraus. Über Nacht wurden die Schmerzen, sowie Schwellung und Bluterguss am Mittelfuß immer größer, sodass wir uns am Sonntag Morgen gleich auf den Weg ins Krankenhaus machten. Das Röntgen zeigte dann einen offensichtlichen Bruch an der Basis des 2.Mittelfußknochens – was uns dann doch ein bisschen schockierte. Gipsverband, Krücken, Belastungsverbot sind vorerst die logische Konsequenz! Sobald wir nun wieder aus Hawaii zurück sind, werden wir nochmals alles genau abklären lassen und alle Hebel für eine rasche Heilung in Bewegung setzen. Wichtig ist vor allem, die Ursache zu eruieren, obwohl wir im Moment davon ausgehen, dass der Hallux Valgus das ursprüngliche Problem ist. Fakt ist, dass jetzt leider mal eine längere Pause ansteht…aber: I will be back!!!
Wir möchten uns an dieser Stelle noch bei euch allen für euer Daumendrücken, das Mitfiebern und die unglaublich vielen lieben Nachrichten und Genesungswünsche bedanken! Bei so viel positivem Feedback tut’s gleich etwas weniger weh 🙂
Bis bald
Michi & Dani